Open Internet – Open Church – Open Soure

Unter diesem Motto trafen sich diese Woche Webworker aus neun Ländern zur European Christian Internet Conference, kurz: ECIC.

Vortrag ECIC
Vortrag ECIC

Während die Eindrücke noch frisch sind, ein Versuch zusammenzufassen, wohin sich die kirchliche Internetarbeit auf europäischer Ebene bewegt.

Open Source

Den Auftakt machte Karsten Gerloff von der Free Software Foundation Europe  mit einem Plädoyer für den verstärkten Einsatz von Open Source Software durch Kirchen. Open Source ist nicht so sehr Technologie, sondern eine politische Einstellung:


Der offengelegte Quellcode  garantiert, dass die Software keine versteckten Hintertüren habe. Karsten Gerloff brachte es mit zwei Fragen auf den Punkt: „Wer hat ein Handy?“ Alle ECIC-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer hoben die Hand. „Wer kann sein Handy kontrollieren?“ Niemand hob die Hand. Dabei hat Open Source viele Vorteile:


Damit niemand Endgeräte für Spionage und Überwachung nutze, sei es wichtig, offene Software zu haben, damit die Software keine Blackbox sei.
Sein Anliegen fasste er jedoch weiter und rief die Kirchen dazu auf, auch ihre Inhalte unter freie Creative Commons Lizenzen stellen. Mein Eindruck: Es war fast wie ein Heimspiel für ihn, denn viele Kirchen und kirchliche Organisationen nutzen bereits Open Source Software.
Ernüchternd fand ich allerdings das Panel mit Vertretern von ÖRK, Lutherischem Weltbund und ActAlliance. Auf die ausdrückliche Nachfrage, warum sie in ihren Organisationen auf Open Sure Software setzen, kam der Hinweis, dass die eingesetzten Open Source-Plattformen technisch besser den definierten Anforderungen entsprächen.
Open Source – weil es bessere und billigere Software ist? Dies wäre dies ein Argument für gute und kostengünstige Software, aber nicht für Open-Source per se. Für eine kirchliche Begründung ist mir dies zu dürftig. Ich glaube, es gibt auch gute theologische Argumente für Open Source Software. Diese müssen wir jedoch als Theologen und Theologinnen noch ausführen. Open Source – diese Argumentation lässt sich auch auf OER (Open Educational Resources) ausdehnen, ist auch eine Frage nach Gerechtigkeit und Teilhabe. Warum nutzen Initiativen wie One Laptop per Child Linux als Betriebssystem? Wenn wir fair gehandelten Kaffee in unseren Kirchengemeinden ausschenken, warum dann nicht auch Open Source Software verwenden? Und warum nicht unsere Inhalte unter einer offenen Lizenz Creative Commons zur weiteren Nutzung freigeben? Der Gedanke des Teilens passt sicherlich auch  gut in eine theologische Begründung. Also: die theologische Begründung für Open Source ist noch nachzuliefern.
Positiv möchte ich GlobEthics erwähnen. Dieses Angebot ist ein gutes Beispiel, wie Inhalte weltweit  – vor allem für Studierende und Forscherinnen und Forscher, die keinen Zugang zu Bibliotheken haben – zur Verfügung gestellt werden. GlobEthics zeigt gleichzeitig aber auch, wie Urheberrechtsgesetze den freien Zugang zu Bildungsinhalten behindern. Das Urheberrecht muss dringend dem digitalen Zeitalter angepasst werden und auch die Belange der Entwicklungsarbeit berücksichtigen.
 

Massenüberwachung

Es war vermutlich das erste Mal, dass ein politisches Thema – nämlich Massenüberwachung – eine größere Rolle auf einer ECIC-Konferenz spielte. Karsten Gerloff hatte im zweiten Teil seines Vortrages dies bereits angesprochen, Julia Maria Koszewska führte weiter aus. Persönlich teile ich ihre politische Analyse, die von ihr angeführten Beispiele der Einschränkung von Bürgerrechten durch Überwachungsmethoden finde ich bedenklich, da sie den Rechtsstaat aushöhlen. Können wir aber auch theologisch gegen permanente Überwachung argumentieren? Ein Gebot „Du sollst keine Daten sammeln!“ steht in dieser Form ja nicht in der Bibel. Welche theologischen Begründungszusammenhänge greifen? Wir müssen die Position der Kirchen theologisch klären, um diese dann politisch in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen. Auch hier sind noch theologische Hausaufgaben zu machen, allerdings ist unter den ECIC-Teilnehmenden sowohl die theologische als auch die technische Komeptenz gegeben, so dass es wünschenswert wäre, würden sie an diesem Thema weiterarbeiten.

Social Media und mehr

Die ECIC ist immer auch ein Ort des kollegialen Austauschs und der Beratung, die Entwicklung in anderen europäischen Ländern zu kennen, hilft, Trends im eigenen Land besser einordnen zu können.
Ich sprach mit mehreren Kolleginnen und Kollegen, der neue Facebook-Algorithmus macht es schwer, eine Reichweite über ein bestimmtes Niveau hinaus zu erhöhen, ohne das man zahlt . Aber regelmäßig Geld für Facebook-Marketing einzusetzen, ist für die meisten Kirchen und Non-Profit -Organisationen keine Option.  Facebook wird zunehmend kritisch gesehen, vor allem wegen Datenschutzbedenken.
Eine ausgefeilte Social-Media- Strategie kennen wenige europäische Kirchen, Skandinavien ist in diesem Bereich jedoch weiter. Hoffentlich ist diese ECIC-Konferenz Anreiz genug für die Kolleginnen und Kollegen der finnisch- lutherischen Kirche, um ihre Strategie zu übersetzen oder zumindest eine englische Zusammenfassung zu veröffentlichen.
Auch wenn Instagram von Facebook übernommen wurde, scheint dieses soziale Netzwerk an Popularität zu gewinnen, ein Beispiel dafür ist dieses schwedische Instagram-Projekt.
 

Ökumene und Online-Gemeinden

Das Internet ist ein gutes Werkzeug, um direkte ökumenische Beziehungen zwischen den einzelnen Gemeinden, die sich auf verschiedenen Kontinenten befinden, zu fördern. Das Internet ermöglicht es, dass Gemeinden „para-local“ werden, diesen Begriff führte Roger Schmidt in seiner Keynote ein.Das Internet macht so in einzelnen Gemeinden die weltweite Ökumene deutlicher für ihre Mitglieder erfahrbar. Gemeinden lösen so übers Internet ein, was sie im apostolischen Glaubensbekenntnis auch bekennen, nämlich Teil der einen allegemeine Kirche zu sein.
Für Roger Schmid  ist das Internet ein „Tool“, an dieser Stelle würde ich fragen, ob diese Metafer wirklich trägt. Persönlich denke ich, dass der Begriff  „Environment“ besser trägt. Während in den USA Kirchen Online-Gemeinden gründen, liegen wir in Europa noch zurück.

Mobile Apps

Markku Tukiainen und Eveliina Ojalaarbeiten zur Mediennutzung von Jugendlichen und haben eine App für Konfirmandinnen und Konfirmanden entwickelt. Der Kollege aus Bayern hat intensiv zugehört, vielleicht wäre dies ja auch eine Zukunftsperspektive für konfiweb.de, das von der bayerischen Landeskirche getragene Konfirmandenportal. Konfiweb goes mobile App – das wäre zumindest eine echte Alternative zur Facebook-Nutzung im Konfirmandenunterricht.

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2 Antworten zu “Open Internet – Open Church – Open Soure”

  1. Theologische Gründe für Open Source Software? Ich weiß nicht… Die One Laptop per Child Initiative hat sich ja nicht für Linux entschieden, weil das so wunderbar fair wäre, sondern weil es günstiger war und sie es besser anpüassen konnten auf ihre Bedürfnisse, jedenfalls geh ich mal davon aus, daß es so war.
    Für Kirche (und andere) ist der Grund, auf Open Source zurückzugreifen IMHO der, daß sie mehr taugt als andere Software. Deshalb sind Kirchen auf Facebook aber nicht auf diaspora* oder in der Red Matrix. Bei den Betriebssystemen hab ich den Eindruck, daß auch in Pfarrhäusern und Verwaltungsämtern das Produkt aus Redmond die Nase vorn hat, weil damit einfach mehr Menschen umgehen können (naja, so gut man eben damit umgehen kann).
    Software ist ein Werkzeug und da greift man eben zu demjenigen, das funktioniert. Es verhungern keine Kinder, wenn man MS Office statt Libre Office verwendet. Man macht es sich halt nur unter Umständen selbst schwerer. Außerdem muß man rechtfertigen, wieso man Kirchensteuergeld für ein Produkt ausgibt, dessen Leistung man auch für lau haben kann (dagegen könnte man dann vielleicht mit \“ein Arbeiter ist seines Lohnes wert\“ ein Argument pro kommerzielle Software aufbauen…).
    Daß wir uns nicht falsch verstehen. Ich benutze auch vorwiegend Open Source Software aus Überzeugung. Ich kann damit besser umgehen, es ist günstiger und tut eher was ich will als kommerzielle Software. Außerdem schätze ich die Gefahr, ausspioniert zu werden, geringer ein. Aber das ist meine pragmatische Entscheidung, ich möchte das nicht theologisch überhöhen.
    Was man theologisch sicher gut begründen kann ist das Engagement für open source Software, also selbst etwas zu geben. Aber das ist wieder was ganz anderes als Libre Office statt MS Office zu nutzen.

    Können wir aber auch theologisch gegen permanente Überwachung argumentieren? Ein Gebot „Du sollst keine Daten sammeln!“ steht in dieser Form ja nicht in der Bibel. Welche theologischen Begründungszusammenhänge greifen?

    Spontan denke ich da an das erste Gebot und an den insgeheimen Wunsch des Menschen, zu sein wie Gott. Ich würde das auch nicht auf die Überwachung beschränken, sondern allgemeiner ansetzen, das geht ja schon beim Kernproblem – der Sicherheitsproblematik – los. Die Regierungen wollen Sicherheit für das Volk und daher meinen sie, sie müßten überwachen, Flugzeuge abschießen dürfen etc. Jetzt sagen wir statt Sicherheit doch einfach mal \“Ägypten\“ und für den Terrorismus (oder was immer die Sicherheit bedroht) sagen wir \“Assur\“ oder \“Babylon\“. Und schon können wir uns bei den (vorexilischen) AT Propheten bedienen.
    Wir Menschen können nicht alles kontrollieren. Und wo wir doch kontrollieren, haben wir Macht. Und Macht mißbrauchen wir (Erbsünde und so). Daher ist es sinnvoll, der Macht Grenzen zu setzen. Damit geben wir aber auch Kontrolle ab (und Verantwortung).
    Theologisch wäre es vielleicht gar nicht so schlecht, wenn die Kirchen (bzw ihre Vertreter) der Politik den Rücken stärkt, wo diese Verantwortung nicht übernimmt und Kontrollmöglichkeiten nicht schafft. Wenn etwa eine Bischöfin sagen (oder gar predigen?) würde, daß es auch Grenzen der Verantwortung bei den Regierenden gibt. Daß manche Terroranschläge vielleicht nicht verhinderbar sind, daß aber umgekehrt manche Kontroll- und Überwachungsgelüste geradezu \“gottlos\“ sind, weil man sich auf das \“Rohr\“ Überwachung/Sicherheit stützt, das doch nicht trägt…
    So in der Richtung vielleicht…

  2. […] Korrekt formuliert müsste man von Ethik statt Moral sprechen, auf Software bezogen müsste man fragen: Ist Open Scource Software bzw. Free Software die ethisch bessere Software? Oder ist sie einfach nur besser? Gibt es ethische Gründe für Open Source Software? Ich suche dabei nach einer Begründung für freie Software, die nicht auf einer Argumentation aus Informatik oder Ökonomie fußt, sondern ethische Begründungszusammenhänge anführt. Und wenn wir uns im kirchlichen Kontext bewegen, lässt sich präzisieren, welche theologischen Gründe gibt es für den Einsatz freier Software. In der Kirche müssen wir dazu eine theologische Position entwickeln. Die Annahme bzw. der Hinweis, dass Open Source Software besser sei, mag sich aus der Informatik begründen oder wiederlegen lassen, genügt aber nicht den Grundsätzen theologischer Urteilsfindung. […]

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