Lutherkondome: Ist Locker-Room-Banter wirklich witzig?

lutherkondomeSex sells – und Kirche und Kondome bringt immer Schlagzeilen. Das gilt auch für die von der evangelischen Jugendkirche Kirche Düsseldorf mit Luthersprüchen bedruckten Kondome. Wenn eine Aktion verunglückt ist und abgebrochen wird, ist in der Regel im Vorfeld schon viel kommunikativ schief gegangen. In der Öffentlichkeitsarbeit beim Abbruch einer Aktion geht es dann nur noch um Schadensbegrenzung.
Mein Thema ist nicht eine eingestellte Aktion, sondern die Reaktionen darauf in Social Media.
Typisch ist diese:

„Bei der Evangelische Kirche im Rheinland geht man wohl zum Lachen in den Keller.
Luther-Playmobil, Lutherbier, Luthertomaten, Luthersocken, Luthereinkaufswagenchips – alles kein Problem.
Aber wehe jemand druckt ‚Hier stehe ich und kann nicht anders‘ auf eine Kondomverpackung. Dann ist die EKiR nicht mehr ‚Vergnügt, erlöst, befreit.’“

oder:

„‚Hier stehe ich, ich kann nicht anders.‘ finde ich als Aufdruck auf Kondomen durchaus zum schmunzeln. „Für Huren und Heilige“ ebenso. Da ist doch nichts falsch dran. Der Gedankensprung zu sexueller Gewalt erschließt sich mir da beim besten Willen nicht.“

Das Narrativ dieser und ähnlicher Kommentare: hippe Jugendlichen gegen verknöcherte Kirchenobere, die diese Aktion verbieten. Wer diese Sprüche nicht cool und witzig findet, ist prüde und ein Joykill. Dagegen ist es schwierig zu argumentieren, ich versuche es aber trotzdem.
Als im US-Wahlkampf Donald Trumps Aufnahmen von sexistischen Bemerkungen über Frauen in die Öffentlichkeit kamen, versuchte Trump diese als „Locker-Room Banter” zu rechtfertigen, in Umkleidekabinen sprächen Männer so über Frauen, aber viele Athleten verwehrten sich gegen Trumps Äußerungen. Aber selbst Trumps Sprache normal in Umkleiden wäre, ist das noch kein Grund, dies gut zu finden, zu entschuldigen oder nachzumachen.
Dies gilt auch für die „Lutherkondome”. „Hier stehe ich, ich kann nicht anders” auf einem Kondom bedeutet doch, der Mann kann nicht anders als Sex haben zu müssen und die Frau muss das hinnehmen und dafür bereit sein. Für die anderen Sprüche lässt sich auch leicht ausbuchstabieren, was für ein Männer- und Frauenbild dahinter steckt.
Nicht jeder findet diese Sprüche auf den Kondomen verletzend, Reaktionen auf Social Media zeigen ja, dass viele sie gerade witzig finden. Aber es gibt Menschen, die diese Sprüche verletzen, für Opfer sexueller Gewalt klingen diese Sprüche wie Hohn.
Es gibt vorzügliche Witze, aber wenn sie sexistisch – oder rassistisch oder diskriminierend – sind, sollte man nicht ins Lachen einstimmen. Wenn also sexistische Sprüche im Locker-Room für Gelächter herhalten, qualifiziert sie das eben nicht für kirchliche Jugendarbeit, und auch nicht als Ausweis, wie fortschrittlich Kirche sei.
Erst einen Spruch auf eine Kondomverpackung drucken, um dann auf einer Website diese Aussage anders zu deuten, mag zwar clever geplant sein, funktioniert aber in diesem Falle nur über eine Provokation mit sexistischer Sprache. Dies kann aber kein Weg für kirchliche Öffentlichkeits- ode Jugendarbeit sein.
In einer Internship in der Open and Affirming Coalition of the United Church of Christ habe ich gelernt, dass gerade Jugendliche einen sicheren Raum, einen „safe space” benötigen, egal ob hetero/hetera oder LGBT. Kirche – und gerade evangelische Jugendarbeit – sollte solch eine geschützen Raum bieten, sexistische Sprache hat aber dann keinen Platz dort.
Luthers Sprache war bisweilen derb. Wenn es bei den „Luther-Kondomen” nur um eine Verletzung des guten Geschmacks ginge, hätte eine Provokation durchaus gelungen sein können. Aber leider ist es keine Geschmacksfrage, sondern es geht um die Würde von Menschen. Hier kann Kirche keine Kompromisse machen. Daher: Bei der Aids-Hilfe sind die Kondome ohne Umverpackung mit Lutherspruch besser aufgehoben.

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4 Antworten zu “Lutherkondome: Ist Locker-Room-Banter wirklich witzig?”

  1. Theonet schrieb „Hier stehe ich, ich kann nicht anders” auf einem Kondom bedeutet doch, der Mann kann nicht anders als Sex haben zu müssen und die Frau muss das hinnehmen und dafür bereit sein.
    Mann Mann Mann, wie kommen Sie denn darauf, dass dies genau das bedeutet? Wenn man\’s unbedingt so auslegen will, kann man sicher auch diese Verbindung hören. Aber auch völlig andere. Kleine Deutschaufgabe: \“Finden Sie 5 mögliche Konnotationen zu diesem Text\“. Oder hören Sie sich mal auf dem Schulhof, beim Kleingärtnerfest und an der Bushaltestelle um. Sie werden staunen, was die Leute anderes verstehen, als Sie es tun. Ihr Textfundamentalismus erinnert an den Freudschüler, der in jedem Kreis eine Vagina sieht und in jedem Kirchturm einen Phallus.

  2. Am öffentlichen Kommunikations-GAU sind allein die PR-Abteilungen schuld, sonst hätte ja kaum jemand von dieser Barth-Simpson-Aktion erfahren. Und sowas entscheiden in Ihrer Kirche doch nicht nur Jugendliche bei einer so kostenintensivem Guerilla-Marketing, da waren doch Amtsträger beteiligt, oder nicht? Also gehört es zur Unternehmenskultur, ob Sie das gut finden, spielt dabei keine Rolle.
    Den größten Wirklichkeitsverlust triggert aber die Safe-Space-Idologie, vor der nahmafte Soziolgen im angelsächsischen Raum als Niedergang der Akademischen Freiheit und neuem Jakobinismus warnen. Der \“Sexismus\“-Vorwurf ist gesellschftlich nicht anschlussfähig. Er kommuniziert \“Altetnativ Facts\“ wie wir sie von anderen Pressesprechern auch ablehnen.
    Dafür ist die Aktion gut: sie zeigt, dass in der \“Kirche der Freiheit\“ neue kirchenamtliche Dogmen top-down etabliert werden, die gar nichts mit Luther und Evangelium zu tun haben. Sondern verstörend re-katholisierend und mittelalterlich wirken.

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