Rechte Hetze, Snapchat und Freie Software: ein subjektiver Rückblick auf #rpTEN

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Die re:publica ist ein gutes Barometer für das, was im Netz passiert, aktuelle Trends zeigen sich an den Veranstaltungsthemen und Publikumsströmen. Ich war nur zwei Tage auf der #rpTEN, Anspruch auf Vollständigkeit hat der Rückblick nicht, er ist meine subjektive Sicht.
Snapchat ist in aller Munde und war ein Publikumsmagnet. Die Session „Hauptsache authentisch? Instagram, Snapchat und Co entzaubert“ steigerte eher noch den Mythos des hippen Jugendnetzwerkes, da viele vor verschlossener Tür blieben und der Entzauberung nicht folgen konnten. Freie Software blieb ein Randthema, dem Vortrag des Präsidenten der Free Software Foundation, Matthias Kirschner folgten weniger als zwei Handvoll Menschen. Der Director der Mozilla Foundation, Mark Surman, hatte zwar mit Stage 1 die große Bühne, doch war der Saal nur mäßig gefüllt.


Er verglich das Zuckerberg-Netzwerk mit dem britischen Empire und forderte zu Widerstand und zum Kampf für ein freies Netz auf, aber es gab nur eine Rückfrage, mehr Diskussion kam nicht auf. Also: hippes Snapchatten und viel Indifferenz beim Kampf um die freie Software im Netz.
Querschnittsthema war für mich der Umgang mit der rechten Hetze im Netz. Immer wieder die Klage, dass Facebook nicht genügend unternehme und das Melden rechtsextremer Hetze nur zu Standard-Antworten, aber nicht zu Sperren führe. Meinungsfreiheit wird in Amerika viel weiter gefasst als bei uns in Deutschland und Gegenrede (counter speech) hat in Deutschland keine Tradition. Wer beispielsweise auf Pegida- und AfD-Facebookseiten geht und dort Argumente gegen deren rechte Positionen Sprüche postet, dessen Beiträge würden von den Community-Managern der rechten Seiten nur gelöscht, während viele journalistische Medien bei Flüchtlingsthemen die offensive Auseinandersetzung in ihren Foren scheuen und die Kommentarfunktion lieber ganz abschalten. In der Session „Was tun gegen den Hass im Netz?“ blieb als effektives Mittel gegen menschenverachtende Hetze nur die Strafanzeige, in den letzten Monaten wurden rechte Hetzer teilweise zu empfindlichen Strafen verurteilt
Was sagt das über eine Gesellschaft, wenn das Strafrecht die Diskussion ersetzt? In Bezug auf den Umgang mit rechter Hetze sehe daher nur wenig Antworten, aber viel mehr Fragen.
Wichtige Anregungen nehme ich von Ingrid Brodnig (Session „Nichts als die ‚Wahrheit‘ – Warum Lügengeschichten so gut funktionieren) mit. Anhand eines Beispiels zeigte die Journalistin auf, wie aus einer Nachricht über Gewalt gegen Flüchtlinge über mehrere Stationen Berichte entstehen, wonach islamische Flüchtlinge Schweden in einen Bürgerkrieg gestürzt hätten. Vor der Verbreitung des Internet hätten Menschen in heterogenen Netzwerken gelebt, während das Internet dazu verleitet, sich in digitale Echokammern zu begeben. Der Mensch hat das Bedürfnis nach Bestätigung, er wählt daher nur die Nachrichten aus, die seine Weltsicht bestätigen (selective exposure bzw. confirmation bias). Wer sich einmal auf Verschwörungstheorien einlässt, blendet aus, was dem eigenen Weltbild widerspricht, wer in einer digitalen Echokammer ist, nimmt die Korrektur einer Falschmeldung nicht an und bleibt in seinem Glauben gefangen. Er wird so zu einem „Glaubenskrieger“ für seine Weltsicht. Beste Vorbeugung gegen das Abdriften in Verschwörungstheorien ist daher die Diskussion und der Kontakt mit Andersdenkenden.
Für den Umgang mit Falschmeldungen gibt Brodnig folgende Tipps:

  • Wiederhole bei der Korrektur die Falschmeldung nicht, sonst prägt sich diese trotz Berichtigung ein. (Nicht: Barack Obama ist kein Moslem, sondern: Barack Obama ist Christ; nicht: Flüchtlinge begehen nicht mehr Straftaten als andere; sondern: Deutsche begehen genau so viel Straftaten.)
  • Suche einen gemeinsamen Nenner mit denen, die du überzeugen willst. (Gegen Gewalt zu sein könnte eine Brücke zu denen sein, die eine restriktive Flüchtlingspolitik wünschen, von der aus man weiter miteinander reden kann.)
  • Strafanzeigen sind ultima ratio bei Volksverhetzung, wenn kein Dialog mehr möglich.

Für die Auseinandersetzung mit rechten Argumentationsmustern mit den so genannten besorgten Bürgern heißt das für mich, nicht einfach frontal dagegen zu halten (counter speech) – dann werden sie bestärkt, dass ihre Meinungen vom Establishment sowieso unterdrückt werden, sondern einen gemeinsamen Nenner zu suchen als Ausgangsbasis für eine Diskussion.
In jedem Fall gilt: Wo jemand noch mit Worten erreicht wird, sollte man diskutieren. Das Strafrecht ist leider manchmal notwendig, aber eine gute Lösung ist es nicht.

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2 Antworten zu “Rechte Hetze, Snapchat und Freie Software: ein subjektiver Rückblick auf #rpTEN”

  1. Der hilfreiche Tipp 1 (\“Wiederhole bei der Korrektur die Falschmeldung nicht\“) entspricht dem Rat, \“Postition beziehen – Negation meiden\“ = \“positiv formulieren\“. Der Tipp berücksichtigt, dass \“das Minus\“ (\“kein\“, \“nicht\“) leicht überlesen, überhört, vergessen wird.

  2. Das Verbindende mit der AfD zu finden, damit man mit ihr reden kann, ist an sich eine gute Idee, erfordert aber ein übermenschlich hohes Maß an Gemütsenergie. Mit dem jemandem ruhig und freundlich und wertschätzend reden, der verbal um sich schlägt bzw. verbal gezielt vernichtet? Warum ich diesen Weg gehen sollte, wird in dem Artikel begründet. Allein: mir fehlt die Kraft dazu.

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